Zitat von
MrSpock:
Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, dass sich unser Innenminister darüber Gedanken macht, wie man auf neue Bedrohungen reagieren soll. Dass es dabei kontroverse Diskussionen gibt ist notwendig, denn es gilt hier zwei sehr wichtige Werte gegeneinander zu bewerten: Sicherheit und Freiheit. Die Hardliner beider seiten machen Stimmung gegeneinander. Ich finde es wichtig einen ausgewogenen Mittelweg zu finden, der beiden Werten gerecht wird. Ich fühle mich bei einer ganzen Reihe von "Verschärfungen" zur Steigerung der Sicherheit nicht in meinen Freiheitsrechten bedroht. Dennoch will auch ich jede Maßnahme daraufhin neu bewerten, dass die Freiheit nicht unnütz beschränkt wird. Über das Thema Missbrauch soll dabei auch diskutiert werden und es muss versucht werden, diesen so gut wie möglich zu verhindern. Nur wird es nicht gelingen Missbrauch grundsätzlich zu vermeiden.
Freiheit und Sicherheit stehen sich nicht gegensätzlich gegenüber. Ich bin davon überzeugt, dass nur eine sehr freie Gesellschaft auch eine sichere Gesellschaft ist.
Das Problem ist, dass viele Politiker immer Sicherheit sagen, aber Überwachung meinen (die Bundeswehr-Diskussion lassen wir an der Stelle mal ganz raus, das führt zu weit). Durch Überwachung wird aber keine Sicherheit gewährleistet. Ganz im Gegenteil führt Überwachung dazu, dass Menschen Angst davor haben, irgendwas Unerwünschtes könnte herauskommen oder irgendwer könnte das mitkriegen. Menschen passen sich den Erwartungen an, die von der Gesellschaft erhoben werden. Das wird dir jeder Psychologe und vermutlich auch jeder Soziologe bestätigen können. Das wirkt sich z.B. auf politische Betätigung aus.
Wenn ich nicht sicher sein kann, ob das, was ich heute tue, nicht irgendwo gespeichert wird und u.U. irgendwann unter irgendeinem Anlass an die Öffentlichkeit gelangt, dann lasse ich lieber alles, was sich in irgendeiner Weise negativ auswirken könnte. Ich weiß z.B. nicht, wie irgendein Arbeitgeber in 20 Jahren reagiert, wenn er irgendwie in Erfahrung bringt, was ich als Jugendlicher mal gemacht habe. Selbst, wer nicht aktiv darüber nachdenkt, wird trotzdem durch ständige Überwachungsmaßnahmen gehemmt.
Ein anderer Punkt ist das Missbrauchsrisiko von angesammelten Daten. Dabei ist es egal, wofür die Daten da sind, was mit ihnen passieren soll oder unter welchen Bedingungen man den Zugriff darauf ermöglicht. Man muss noch nicht einmal den ganzen Staat in Frage stellen, um Angst davor zu haben, dass ein einziger Polizist vielleicht nicht vertrauenswürdig ist, weil er z.B. korrupt ist oder voyeuristisch. Diese Angst hab ich nicht nur bei Polizisten. Auch in der Wirtschaft, z.B. bei Überwachungskameras in Kaufhäusern. Weiß ich denn, was diese Leute mit den gesammelten Daten machen? Weiß ich es wirklich?
Regelmäßige Datenverluste zeigen, dass angesammelte Daten nicht sicher sind. Allen voran steht Großbritannien. Nahezu jede Woche gibt es neue Datenpannen. Da mal eine CD mit Daten von Kindergeldempfängern verloren gegangen, hier mal ein USB-Stick mit Gefangenendaten, dort Patientendaten an die Öffentlichkeit gekommen. Übrigens ist Großbritannien das Land mit der
zweithöchsten Kriminalität, gleich nach Irland. Dabei gibt es in Großbritannien die
höchste Kamera-Dichte der ganzen Welt.
Es ist also keinesfalls so, dass Überwachung zu Sicherheit führen würde. Dafür birgt die Überwachungsgesellschaft aber irrsinnige Gefahren für Freiheit, Demokratie und Persönlichkeitsrechte. Manche Menschen wollen halt ihre Geheimnisse für sich behalten und nicht Gefahr laufen, dass irgendjemand, aus welchem Grund auch immer, davon erfährt.
Nebenbei gesag, ich empfinde mich nicht als "Hardliner", sondern aus meiner Sicht überwiegen einfach die Nachteile der Überwachung gegenüber den Vorteilen. Und ich lebe nicht gerne in der Illusion der "Sicherheit", weil ich genau weiß, dass es die nicht gibt. Ich halte es für wichtiger, die Menschen auf diese Tatsache aufmerksam zu machen, Zivilcourage zu fördern, häufiger mal eine Polizeistreife auf die Straße zu schicken und eine ordentliche Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik zu machen, damit sich Kriminalität gar nicht erst so schnell entwickelt. Das schafft Sicherheit. Überwachung nicht.