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Re: Zunehmende Überwachung in Deutschland
20. Sep 2007, 16:00
Ich habe den Brief noch mal überarbeitet und etwas gestrafft:
Zitat:
Kassel, 17. September 2007
Sehr geehrter Herr Bundespräsident Dr. Köhler,
ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil ich mit Besorgnis die innenpolitische Entwicklung in Deutschland, insbesondere was die Diskussion um die innere Sicherheit angeht, beobachte.
Es wird immer von einer bestehenden Terrorgefahr gesprochen und dass man entsprechende Maßnahmen ergreifen müsste, um dieser Terrorgefahr und somit möglichen Terroranschlägen entgegenwirken zu können. Mal abgesehen davon, dass ich diese Terrorgefahr nicht sehe, zumindest nicht so extrem, wie man uns glauben machen will, halte ich die von Herrn Doktor Schäuble vorgeschlagenen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung für sehr bedenklich, was deren Bedeutung und Konsequenzen bezüglich des Rechtsstaates und der freiheitlichen Rechte der Bürger angeht.
Frau Bundeskanzlerin Merkel spricht davon dass eine Balance zwischen innerer Sicherheit und Freiheit der Bürger gefunden werden muss. Das ist soweit ja auch richtig. Nur habe ich das Gefühl, wenn ich die Forderungen von Herrn Doktor Schäuble sehe, dass diese Balance immer mehr in Richtung Einschränkung der freiheitlichen Rechte der Bürger, deren Bespitzelung und deren Überwachung verschoben wird mit einem minimalem Gewinn an Sicherheit. Es kann keine 100%'tige Sicherheit geben und man muss sich bewusst sein, dass man mit einem gewissen Risiko einfach leben muss, wenn man seine Freiheit nicht ganz aufgeben will.
Die Online-Durchsuchung von PCs erfolgt heimlich. Da der PC aber in privaten Wohnräumen steht, ist dieses Vorgehen mit einer heimlichen Hausdurchsuchung gleichzusetzen. Dies jedoch bedeutet eine Verletzung der Privatsphäre, die jedem Bundesbürger per Grundgesetz zugesichert wird (siehe §13). Desweiteren können Beweise platziert werden, gefundene Beweise sind vor Gericht nicht verwertbar, eine Abgrenzung von rein privaten Inhalten ist nicht möglich. Mit der Online-Durchsuchung soll das BKA mit Befugnissen ausgestattet werden, die eigentlich nur dem Geheimdienst zur Verfügung stehen. Nicht umsonst wurde im Grundgesetz eine strikte Trennung von Polizei und Geheimdienst festgelegt. Und wie soll der Bürger dem Staat noch vertrauen, wenn er hört, dass die entsprechende Software entweder durch einen heimlichen Wohnungseinbruch oder durch E-Mails von Behörden installiert werden soll? Solche Methoden, auch wenn sie der Verbrechensbekämpfung und der Prävention dienen, sind keine rechtsstaatlichen Methoden.
Weiterhin Besorgnis erregend ist die Forderung die Bundeswehr auch im Inneren einsetzen zu können. Das ist aber nicht Aufgabe der Bundeswehr. Die innere Sicherheit wird durch die Polizei sichergestellt. Die Aufgabe der Bundeswehr ist es Bedrohungen von Außen zu begegnen. Statt den Stellenabbau der Polizei immer weiter voranzutreiben, sollte man Stellen schaffen und die Polizei entsprechend ausstatten.
Die Vorratsdatenspeicherung kann keine Terroranschläge verhindern. Es werden nur Verbindungsdaten aufgezeichnet und das von 80 Million Bundesbürgern. Es findet also eine pauschale Überwachung der Bürger statt, die somit mehr oder weniger unter Generalverdacht gestellt werden, denn warum sollte ich jemanden überwachen, der nicht verdächtig ist?
Die biometrische Daten in Reisepässen sollten anfangs auch nur dazu dienen die Reisepässe fälschungssicherer zu machen. Mittlerweile ist im Gespräch die damit gesammelten biometrischen Daten auch zu Fahndungszwecken und zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr heranzuziehen. Und genau das ist ein weiteres Problem, es werden Begehrlichkeiten erzeugt, die man nicht eindämmen kann. Man nehme nur mal die Mautdaten als Beispiel.
Jeder dieser oben genannten Maßnahmen kann einen Anschlag einer terroristischen Gruppe nicht verhindern. Auf der anderen Seite werden aber dem Bürger immer mehr Freiheiten genommen durch entsprechende geplante Änderungen des Grundgesetzes, um diese Maßnahmen zu legitimieren. Man kann auch von einer Banalisierung des Grundgesetzes sprechen, wenn man es nach Belieben ändern, ergänzen und anpassen kann. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht ein Urteil fällt, welches nicht den Wünschen des Innenministers entspricht, wird dieses nicht respektiert, sondern dann wird nach einer Grundgesetzänderung verlangt. Somit erfolgt nach und nach eine Demontage des Grundgesetzes und der Umbau des Rechtsstaates in einen Präventionsstaat. Mittlerweile ist auch nicht mehr von Terroristen die Rede, sondern von "Gefährdern". Ein Gefährder kann aber jeder sein, ein Verbrecher, ein Terrorist, ein politisch anders denkender.
Durch diese Maßnahmen erfolgt ein langsamer aber sicherer Umbau von einem Rechtsstaat in einen Präventionsstaat. In einem Präventionsstaat in dem jeder Bürger erstmal unter Generalverdacht gestellt wird (Vorratsdatenspeicherung) und somit als Risikofaktor gilt und es sich gefallen lassen muss, dass er, ohne einen konkreten Anlass dafür geliefert zu haben, "zur Sicherheit" überwacht wird. Der Präventionsstaat muss, das liegt in seiner Logik, dem Bürger immer mehr Freiheiten nehmen, um ihm dafür scheinbare Sicherheit zu geben; das trägt den Zug zur Maßlosigkeit in sich, weil es nie genug Sicherheit gibt.
Herr Dr. Schäuble führt anscheinend einen Kampf gegen den Terrorismus, bei dem er jegliche Verhältnismäßigkeit aus dem Auge zu verlieren scheint. Der ''Kampf gegen den Terror'', den Herr Schäuble zu führen sich einbildet, ist ein Kampf gegen die Freiheit, die Demokratie und die eigenen Bürger. Als Innenminister hat er das Grundgesetz zu wahren und zu schützen und es nicht zu demontieren. Hinzukommt, dass er mit immer neuen Horrorszenarien, jetzt ist schon von "schmutzigen Bomben" die Rede, versucht seine Maßnahmen zu begründen. Anscheinend wird versucht Panik in der Bevölkerung zu erzeugen, um die Akzeptanz für die Überwachungsmaßnahmen zu fördern. In diesem Zusammenhang würde ich gerne erfahren, wie Sie zu Aussagen wie zum Beispiel:
"Topgefährder in einer 'kleinen, gut zu überwachenden Kommune' zu internieren"
(Zitat Günther Beckstein)
oder der Aussage von Bundeskanzlerin Merkel, wenn sie eine Diskussion über das Beschneiden elementarster Grundrechte einhergehend mit einer Grundgesetzänderung als "bedenklich" empfindet, stehen.
Man sollte auch die gesellschaftlichen Folgen einer solchen Sicherheitspolitik nicht außer Acht lassen. Es wird eine Angst geschürt, die unverhältnismäßig ist. Und um Angst geht es. Nur werden wohl deren Folgen übersehen oder bewusst ignoriert. Denn was resultiert aus diesen Maßnahmen, die Terroranschläge nicht verhindern können? Der Bürger wird sein Verhalten ändern, weil er glaubt überwacht zu werden. Er wird sich einschränken, um nicht aufzufallen. Er wird andere Bürger denunzieren und verleumden, um seine eigene Position gegenüber dem Staat zu stärken. Der Anfang ist immer Angst, dann Überwachung, daraus Meinungsbildung im Sinne der Machthaber und schlussendlich Unwissenheit, Denunziantentum, Misstrauen gegen jeden, Bildungsnotstand, der Angeklagte muss beweisen das er unschuldig ist (Vorverurteilung). All dies hatten wir schon mal in unserer Geschichte. Man sollte meinen wir, und insbesondere die verantwortlichen Politiker, hätten daraus gelernt, aber anscheinend ist dies nicht der Fall.
Michael Ein Teil meines Codes würde euch verunsichern.
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