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Re: Zunehmende Überwachung in Deutschland
13. Jul 2007, 12:38
Ich habe mal was geschrieben. Dabei habe ich mir erlaubt, hier und da aus euren Beiträgen etwas zu klauen.
Zitat:
Sehr geehrter Herr Köhler,
ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil ich mit Besorgnis die innenpolitische Entwicklung in Deutschland, insbesondere was die Diskussion um die innere Sicherheit angeht, beobachte.
Es wird immer von einer bestehenden Terrorgefahr gesprochen und dass man entsprechende Maßnahmen ergreifen müsste, um dieser Terrorgefahr und somit möglichen Terroranschlägen entgegenwirken zu können. Mal abgesehen davon, dass ich diese Terrorgefahr nicht sehe und wenn sie tatsächlich besteht, haben wir sie mit unserer Außenpolitik selber herbeigeführt (wie heißt es immer so schön: "Deutschland wird im Hindukusch verteidigt"), halte ich die von Herrn Doktor Schäuble vorgeschlagenen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung für sehr bedenklich, was deren Bedeutung und Konsequenzen bezüglich des Rechtsstaates und der freiheitlichen Rechte der Bürger angeht.
Frau Bundeskanzlerin Merkel spricht davon dass eine Balance zwischen innerer Sicherheit und Freiheit der Bürger gefunden werden muss. Das ist soweit ja auch richtig. Nur habe ich das Gefühl, wenn ich die Forderungen von Herrn Doktor Schäuble sehe, dass diese Balance immer mehr richtig Einschränkung der freiheitlichen Rechte der Bürger, deren Bespitzelung und deren Überwachung verschoben wird mit einem minimal Gewinn an Sicherheit. Es kann keine 100% Sicherheit geben und man muss sich bewusst sein, dass man mit einem gewissen Risiko einfach leben muss, wenn man seine Freiheit nicht ganz aufgeben will. Für den Straßenverkehr akzeptiert man ja auch dass dort Menschen verletzt werden oder zu Tode kommen und noch niemand hat die Idee geäußert, dass man zur Sicherheit der Bürger den Straßenverkehr abschaffen müsse.
Durch diese Maßnahmen erfolgt ein langsamer aber sicherer Umbau von einem Rechtsstaat in einen Präventionsstaat. In einem Präventionsstaat in dem jeder Bürger erstmal unter Generalverdacht gestellt wird (Vorratsdatenspeicherung) und somit als Risikofaktor gilt und es sich gefallen lassen muss, dass er, ohne einen konkreten Anlass dafür geliefert zu haben, "zur Sicherheit" überwacht wird. Der Präventionsstaat muss, das liegt in seiner Logik, dem Bürger immer mehr Freiheit nehmen, um ihm dafür Sicherheit zu geben; das trägt den Zug zur Maßlosigkeit in sich, weil es nie genug Sicherheit gibt - an den sich überschlagenden Forderungen Schäubles ist das schon heute ablesbar:
Die heimliche Online-Durchsuchung von PCs erfolgt heimlich ohne Wissen des Betroffenen und ohne Beisein von Zeugen. Zu dem kann ohne Tatverdacht die Durchsuchung erfolgen und es können Beweise plaziert werden, um einen Fahndungserfolg zu erzielen. Dies verstößt gegen das Grundgesetz. Solche Durchsuchungsmethoden sind typisch für Staaten in denen Bürgerrechte mit Füßen getreten werden. Hinzukommt, dass die Online-Durchsuchung auf einmal nicht nur der Terrorbekämpfung dienen soll, sondern, wenn man sie schon mal hat, auch der allgemeinen Verbrechensbekämpfung dienen soll. Diese Ausweitung von Begehrlichkeiten ist sehr bedenklich. Wo sind die Grenzen?
Die biometrische Daten in Reisepässen sollten anfangs auch nur dazu dienen die Reisepässe fälschungssicherer zu machen. Mittlerweile ist im Gespräch die damit gesammelten biometrischen Daten auch zu Fahndungszwecken und zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr heranzuziehen. Dazu ist eine Grundgesetz Änderung notwendig.
Bezüglich der Forderung die Bundeswehr auch im Inneren einsetzen zu können: Aufgabe der Bundeswehr ist es die Bundesrepublik Deutschland vor Bedrohungen von außen zu beschützen. Sie ist nicht befugt im Inneren polizeiliche Tätigkeiten wahrzunehmen, dafür gibt es die Polizei. So ist es im Grundgesetz geregelt. Die Väter des Grundgesetzes haben nicht umsonst die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit vorgenommen, denn die Vergangenheit Deutschlands hat es sie gelehrt. Auch hier muss das Grundgesetz entsprechend geändert werden.
Die Vorratsdatenspeicherung kann keine Terroranschläge verhindern. Es werden nur Verbindungsdaten aufgezeichnet und das von 80 Million Bundesbürgern. Es findet also eine Pauschale Überwachung der Bürger statt, die somit mehr oder weniger unter Generalverdacht gestellt werden, denn warum sollte ich jemanden überwachen, der nicht verdächtig ist?
Gezielte Tötung von Verdächtigen. Ja, da bleiben einem fast die Worte weg. Die Todesstrafe wurde in Deutschland abgeschafft. das heißt selbst nach einer ordentlichen Gerichtsverhandlung darf und kann auch nicht das Todesurteil ausgesprochen werden. Und hier sollen Menschen auf offener Strasse erschossen werden, nur weil sie verdächtig sind?
Jeder dieser oben genannten Maßnahmen kann einen Anschlag einer terroristischen Gruppe nicht verhindern. Auf der anderen Seite werden aber dem Bürger immer mehr Freiheiten genommen durch entsprechende geplante Änderungen des Grundgesetzes, um diese Maßnahmen zu legitimieren. Man kann auch von einer Banalisierung des Grundgesetzes sprechen, wenn man es nach blieben ändern, ergänzen und anpassen kann. Somit erfolgt nach und nach eine Demontage des Grundgesetzes und der Umbau des Rechtsstaates in einen Präventionsstaat. Mittlerweile ist auch nicht mehr von Terroristen die Rede, sondern von "Gefährdern". Was sind "Gefährder"? Sind Terroristen "Gefährder"? Schwerverbrecher? Regimkritiker? Anders Denkende? Wie man sieht wird es an diesem Punkt ganz kritisch und der Schritt zu einem totalitären Staat ist nicht mehr weit.
Herr Dr. Schäuble führt anscheinend einen Kampf gegen den Terrorismus, bei dem er jegliche Verhältnismäßigkeit aus dem Auge zu verlieren scheint. Der ''Kampf gegen den Terror'', den Herr Schäuble zu führen sich einbildet, ist ein Kampf gegen die Freiheit, die Demokratie und die eigenen Bürger. Als Innenminister hat er das Grundgesetz zu wahren und zu schützen und es nicht zu demontieren.
Man sollte auch die gesellschaftlichen Folgen einer solchen Sicherheitspolitik nicht außer Acht lassen. Es wird eine Angst geschürt, die eigentlich nicht vorhanden ist. Und um Angst geht es. Nur werden wohl deren Folgen übersehen oder bewußt ignoriert. Denn was resultiert aus diesen Maßnahmen, die Terroranschläge nicht verhindern können? Der Bürger wird sein Verhalten ändern, weil er glaubt überwacht zu werden. Er wird sich einschränken, um nicht aufzufallen. Er wird andere Bürger denunzieren und verleumden, um seine eigenen Position gegenüber dem Staat zu stärken. Wir sollten eines bedenken: Der Faschismus unter Hitler entstand in einer kapitalistischen Demokratie, also exakt das in dem wir auch jetzt leben. Der Anfang ist immer Angst, dann Überwachung, daraus Meinungsbildung im Sinne der Machthaber und schlußendlich
Unwissenheit, Denuntiantentum, Mißtrauen gegen jeden, Bildungsnotstand, der Angeklagte muß beweisen das er unschuldig ist (Vorverurteilung). Die Forderungen des Innenministers sind ein direkter und zweifacher Angriff auf unsere Demokratie. Führt er konkret zum Erfolg, so ist der erste Schritt gemacht unsere Verfassung zu demontieren. Führt er nicht zum Erfolg, so wird er aber Mißtrauen in der Bevölkerung sähen, Angst erzeugen und somit indirekt unser alltägliches Verhalten und Denken radikal ändern.
Das sind jetzt ein einhalb DIN-A4 Seiten und viel länger sollte es, denke ich, auch nicht werden. Aber wie immer fehlt mir noch irgendwie ein abschliessender Absatz.
Michael Ein Teil meines Codes würde euch verunsichern.
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