Gehalt für Informatiker ohne Abschluss

[August]

Hallo zusammen,

ich studiere seit 2003 an einer berliner Uni Technische Informatik, früher auf Diplom, jetzt auf Bachelor. Ich habe leider sehr große Probleme mit Prüfungssituationen und komme deswegen leider nur langsam voran. Ich habe mich aber von meinem Studium nicht getrennt, sondern bin leidenschaftlicher Informatiker, arbeite seit Jahren als solcher und beteilige mich auch in einer Informatiker-Studenten-Ini. Mittlerweile habe ich meinen 30igsten Geburtstag hinter mich gelassen und arbeite seit einem Jahr mit 20 Stunden pro Woche bei einem deutschstämmigen "Global Player" in der Softwarebranche als "Junior Software Engineer". Ich mache Backendentwicklungen für Webanwendungen basierend vor allem auf PHP. Dazu gehören natürlich auch Arbeiten an MySQL-Datenbanken usw. Ich schreibe eigene Testcases in Java und teste damit meinen Code und den von Kollegen. Für anspruchsvollere Projekte setze ich virtuelle Server auf (Debian oder Windows, je nach Bedarf), konfiguriere diese und führe auf ihnen die entsprechenden Arbeiten aus.

Ich habe vorher vier Jahre an meiner Uni als studentischer Mitarbeiter gearbeitet, mit 60 Stunden pro Monat. Dort habe ich ein CMS aufgebaut und administriert, welches sukzessive an der ganzen Uni eingeführt wurde. Meine Aufgaben waren dort sehr ähnlich wie in meinem jetzigen Job (PHP/SQL-Entwicklung, Linux-Serveradministration). Nach einem Jahr hatte ich bereits zwei Studis an meiner Seite, die ich quasi als Teamleiter geführt habe. zwei Jahre später kam ein dritter dazu. "Quasi", weil ich als Student "natürlich" keine Leitungsaufgaben inne haben darf. Es war dort aber ganz natürlich, dass ich innerhalb meines Teams die anfallenden Aufgaben verteilt, deren Umsetzung kontrolliert und auch Dienst- und Urlaubspläne erstellt habe. Die Tätigkeit an der Uni war wirklich interessant und ich habe beispielsweise ein Paper über das CMS geschrieben und auf einer Konferenz darüber referiert.

Soziale Interaktion ist mir im Allgemeinen wichtig. So war ich z.B. an der Uni neben Studium und Job eine Amtsperiode im Personalrat tätig und wurde 2009 in meiner Baugenossenschaft in den Aufsichtsrat gewählt. In der Studi-Ini, in der ich tätig bin, gebe ich Tutorien in C und helfe in den entsprechenden Übungen.

Mein allergrößtes Problem ist der fehlende Abschluss. Ich bin darum etwas orientierungslos, welche Gehaltsvorstellungen angesichts meines Backgrounds aber eben auch angesichts meines fehlenden Abschlusses angemessen sind. Für die oben beschriebene Tätigkeit als "Junior Software Engineer" mit 20 Stunden pro Woche erhalte ich derzeit 1.100 Euro Brutto (plus 13. Monatsgehalt). Wenn ich da so auf das durchschnittliche Einstiegsgehalt eines Informatik-Bachelors schaue, der zwar den Bachelor vorweisen kann aber keine Berufserfahrung hat, merke ich doch recht deutlich, wie nötig ich den Abschluss brauche.

Meine Frage an euch ist: Kann ich mit meinem Gehalt zufrieden sein oder geht da noch was?

[nuclearping]

Das ist halt eines der Probleme hier in Deutschland. Auf der einen Seite klagt die Industrie über mangelnde fähige und motivierte Ingenieure und Entwickler und dass alle in's Ausland abhauen, auf der anderen Seite zählt das, was auf einem Papier steht dann aber doch mehr, als Jahre an Erfahrungen. Wenn die Personalabteilung Bewerbungsmappen auf dem Tisch hat und für eine Stelle die Wahl zwischen einem Bewerber mit Master und Bachelor, welchen wird man wohl zum Vorstellungsgespräch einladen?

Imho ist 1100,- Brutto (!) für einen Software-Entwickler im Bereich Systemintegration unterste Grenze. Ich persönlich würde dafür nicht arbeiten, auch keine 20 Stunden pro Woche. Irgendwas zwischen 1700-1900,- Brutto wäre ok, so dass du wenigstens 1300-1400 netto rausbekommst.

Und weißt du was? Wenn du lokal nicht gebunden bist, gehe nach Norden. Finnland, Dänemark. Da wirst du mit offenen Armen empfangen und man bezahlt dir sogar noch deinen Umzug, so froh wird man sein.

[Phoenix]

Hrm. Mach mal einen Schritt zurück.

Dein Problem ist meiner Meinung nach nicht der fehlende Abschluss, und auch nicht das Gehalt das Du deswegen nicht bekommst.
Dein eigentliches Problem ist, dass Du schon 18 oder 19 Semester studierst, ohne 'das Ding rein zu machen'.

Dir scheint ja was an der Geschichte zu liegen, sonst hättest Du vermutlich schon vor Jahren aufgegeben, aber das Interesse an der Materie und der Wunsch nach dem Abschluss scheinen mir nach Deinen Ausführungen so stark zu sein, dass Du das eigentlich auch gerne endlich abhaken würdest, wenn da nicht Dein ursächliches Problem mit den Prüfungssituationen wäre.

Deswegen mein Tip: löse das eigentliche Problem, zieh die Prüfungen durch Rocke danach ab. Mit den Erfahrungen die Du hast, und dem Wissen durch das Studium, und der Offenheit die Du hier an den Tag legst (nicht jeder ist bereit das so direkt auszusprechen) hast Du gute Chancen, nach dem Studium nicht als Berufseinsteiger zu zählen.

Mach Dich mal hier schlau: http://www.pruefungsamt.de/pruefungsangst.php
Gehe zum Prüfungsamt Deiner Hochschule und frage dort nach ob dort vielleicht solche Anti-Stress/Prüfungsangst Seminare angeboten werden.

Angst vor Prüfungen ist eine irrationale Angst, genauso wie die Flugangst meiner Frau (sie hat im übrigen auch Prüfungsangst, aber vermutlich nicht so ausgeprägt), meine Arachnophobie und meine absolut panische Pyrophobie. Ich weiss das meine Angst vor offenen Flammen absolut irrational ist, und dennoch kann ich nicht an einem Tisch sitzen, auf dem eine etwas erhöhte offene Kerze steht, die umfallen könnte (Teelichter im Glas sind wiederum absolut kein Problem - da sieht man schon wie krass irrational das ist). Ich versuche aber immer wieder in kleinen Schritten dagegen anzugehen. Inzwischen kann ich schon Holz in unserem Ofen nachlegen wenn dieser gerade mit kleinen Flammen brennt. Meine Fortschritte sind langsam (vor allem weil hier beim Training tatsächlich die reale Gefahr besteht, mich zu verbrennen). Aber sie sind spürbar. Der wichtigste Schritt dabei war eigentlich mir selber einzugestehen, dass ich hier ein Problem habe was ich angehen muss - und noch schlimmer: Bei dem ich fremde Hilfe zu lösen brauchte.

Auch wenn es schwer ist, versuche das ganze mal Emotionslos zu sehen: Die Angst vor der Prüfung ist im Grunde eine Angst zu versagen - die Angst vor den Konsequenzen des Versagens.

Was ist das Schlimmste was passieren kann, wenn Du ab sofort jedes mal in den Prüfungen versagst?
Du wirst Exmatrikuliert und stehst ohne Abschluss da.
Das ist *genau* die gleiche Situation, als wenn Du das Studium jetzt selber abbrechen würdest. Nur etwas später.

Du hast also im Grunde genommen genau gar nichts zu verlieren, wenn Du es nicht wenigstens probierst - ausser ein klein bisschen Zeit.
Durch Hilfe wie Stressbewältigungsseminare oder die gesellschaftlich verpönte (btw. total unbegründet) 'professionelle' Hilfe von Leuten, die Ahnung haben wie das Menschliche Hirn tickt und wie man das austricksen kann kannst Du im Gegenzug aber erreichen, entspannter in die Prüfungen zu gehen, ohne den extremen Stress Deine Scheine und letzlich den Abschluss zu machen.

Nach Deinen Ausführungen bin ich mir sicher, dass Du das nötige Know-How in der Zwischenzeit komplett parat hast - vermutlich könntest Du alle offenen Prüfungen in einem Semester runterschreiben und dann noch die Thesis bei Deinem Arbeitgeber fertigmachen - und das Abschlussproblem hätte sich in Luft aufgelöst. Und die Zeit die Du bisher investiert hast zahlt sich dann endlich aus. Das Diplom (bzw. in Deinem Fall dann die Bachelor-Urkunde) in der Hand zu halten ist ein absolut irres Gefühl. Gönn es Dir!

[Maya]

Glaube mir, ich weiß, wie das mit der Prüfungsangst ist. Meine eine Kollegin erzählt mir heute noch, wie ich fertig nervlich war, als ich im Bewerbungsgespräch saß. Während meinem Mathe-Abi bekam ich 'ne Panikattacke. Ich frage mich echt heute manchmal, wie ich das ganze durchstand und wenn ich an meine Prüfungen im November und Januar denke, wird mir auch schon echt mies im Magen. -.-
Was ich dagegen tue? Ausreichend vorbereiten, mich mit der Situation, die auf mich zukommt, vertraut machen (aka immer wieder vorstellen, wie die drei netten Herren vor mir sitzen und mich beäugen, während ich mein Projekt vorstelle), Augen zu und durch das Ding. In der schriftlichen einfach das Gehirn vorher abschalten und einmal den obligatorischen Strohballen aus den Wild-West-Filmen durch 'n Kopf rollen lassen und dann einfach nur auf die Fragen konzentrieren. Nicht daran denken, was danach passiert oder was die anderen machen, einfach dein Ding durchziehen.
In der mündlichen werde ich einfach lächeln was das Zeug hält. Einfach so tun, als wüsste ich alles, als würde mich nix umhauen und wieder einfach nicht an die möglichen Konsequenzen denken.

Zitat von Phoenix:

Was ist das Schlimmste was passieren kann, wenn Du ab sofort jedes mal in den Prüfungen versagst?
Du wirst Exmatrikuliert und stehst ohne Abschluss da.
Das ist *genau* die gleiche Situation, als wenn Du das Studium jetzt selber abbrechen würdest. Nur etwas später.

Du hast also im Grunde genommen genau gar nichts zu verlieren, wenn Du es nicht wenigstens probierst - ausser ein klein bisschen Zeit.

Genau so denke ich auch. Dann mache ich halt die Ausbildung 'n halbes Jahr länger, na und? Passiert, shit happens, niemand ist perfekt und irgendwie werde ich trotzdem damit eine Arbeit finden.

Think pink!
(Das sagt gerade die, die immer aufgezogen wird von Kollegen, weil sie nur schwarz trägt. )

[Lemmy]

Preisfrage: Was ist der Unterschied zwischen einer Prüfung und der täglichen Arbeit als Angestellter/Selbstständiger?

Bei der Prüfung weiß man im Voraus was dran kommt!

[hoika]

Hallo,

Also ich glaube, dass der TE gar keinen Abschluss mehr machen kann.
Die Fristen sind doch längst rum.
Mit dem Hintergrund solltest du dich einfach mal bewerben.

Heiko

[August]

Hallo,

ich möchte ganz gerne in diesem Thread die Frage nach einem für mich realitischem Gehalt klären und nicht meine Studiumssituation. Ich habe recht lange im Dipl.Ing. Studium für TI festgehangen und habe im letzten Wintersemester auf Bsc. gewechselt. Bei dem Transfer wurde ich mit den anerkannten Scheinen ins 5. Semester eingestuft (von 8 Semestern Regelstudienzeit). Ich plane derzeit innerhalb von drei Semestern mein Studium als Bsc. erfolgreich abzuschließen. Ich hoffe damit ist das geklärt und ich würde mich freuen, wenn es jetzt nur noch Einschätzungen zu der Gehaltsfrage geben würde.

[BUG]

@August: Sorry, das war schon fertig geschrieben, jetzt sende ich es ab.

Zitat von hoika:

Also ich glaube, dass der TE gar keinen Abschluss mehr machen kann.
Die Fristen sind doch längst rum.

Das würde ich nicht einfach so behaupten, gerade die älteren Studienordnungen sind an einigen Unis noch sehr vorteilhaft verglichen mit den heutigen. Besonders wenn er von Diplom zu Bachelor gewechselt hat, könnte es noch möglich sein. Hochschulpolitisches Engagement bringt auch "Freisemester". Aber das muss er von seiner Uni wissen (Studienfachberater/Prüfungsamt/oÄ.).

Wenn du so große Probleme mit Prüfungssituationen hast, dann solltest du dich vielleicht (psychologisch*) beraten lassen.
Bei uns gibt es afaik Beratung für Studenten vom StuPa/StuRa, eventuell hat die TU Berlin so etwas auch?

Wenn du wirklich so an dem Abschluss hängst, solltest du es weiterverfolgen ... was soll dir im schlimmsten Fall passieren? Du würdest einen Abschluss nicht bekommen, den du sonst eh hättest fallen lassen. Wenn du wartest, wird dir die Uni irgendwann den Saft abdrehen, da du nicht vorwärts kommst.

PS:
Ich habe das Glück in mündlichen Prüfungssituationen (davor nicht ) ruhig zu werden. "Einfach" hinsetzten und mit dem Prof. über den Stoff des letzten Semesters reden. Bin wohl nicht so der BlackOut-Typ.


* Es muss ja auch kein Psychotherapeut sein, es gibt auch Heilpraktiker mit entsprechendem Profil. Das geht dann auch diskreter gegenüber den Krankenkassen.

[Bummi]

Persönlich bin ich der Meinung dass es gerade in kleineren Unternehmen weniger eine Rolle spielen muss was für einen bzw. ob man einen Abschluss haben muss.
Hier kann interessierten und engagierten Autodidakt u.U. einem hochqualifizierten Mitbewerber durchaus den Rang ablaufen. Auch sind hier die Gehälter schneller an Angebot und Nachfrage angepasst.
Die Frage dürfte eher sein ob man den geeigneten Arbeitgeber findet und zu überzeugen weiß.

Dass eine Abschuss anzustreben ist will ich hiermit auf keine Fall anzweifeln ...

[nuclearping]

Zitat von Bummi:

Die Frage dürfte eher sein ob man den geeigneten Arbeitgeber findet und zu überzeugen weiß.

Vorallem auch, der einem die Chance gibt, sich überzeugen zu lassen.