Du meinst das ernst oder? Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass sie einfach nur nicht die technischen Möglichkeiten und Ressourcen hatten?...
Toll, daß nach dem Krieg nahezu alle "guten" Industrieanlagen demontiert wurden und von den Russen hat man wenig zurückbekommen.
Das kommt hinzu.
Ich kenne den Mauerfall nur aus dem Fernsehen. Aber an was ich mich erinnern kann, ist die Grenzöffnung. Da war ich so 15 Jahre alt. Ich weiß noch, wir waren bei meinem Onkel in Bielefeld. Der hatte damals Verwandte in Kirchgandern. Das ist bei Göttingen direkt hinter der Grenze. Das Dorf lag damals im Grenzstreifen. Jedenfalls, als die Grenzen aufgemacht haben sind wir nach Kirchgandern gefahren. Geparkt haben wir noch auf west-deutscher Seite auf einem Acker. Dann sind wir rübergelaufen. Direkt beim Dorf war ein Grenzübergang. da haben wir dann noch Eintritt bezahlt und sind dann zu den Verwandten gegangen. Ich weiß gar nicht, ob wir uns angekündigt hatten. Wir kamen uns aber vor wie in den fünfzigern. Die haben da nur die harten Sachen zum Trinken aufgefahren, wie bei uns damals in den fünfzigern. Und er, war Mathematik Professor, hat uns ganz stolz seinen Taschenrechner präsentiert: Vier Grundrechenarten und das war's. Mein Vater ist Bauingenieur und hat Statiken geprüft, der konnte über das Spielzeug nur lächeln. Und dann hat es in dem Dorf gestunken, nach Braunkohle und Zweitaktergemisch. Wenn ich das heute rieche muss ich immer wieder an das Dorf denken. Dann hatten wir ja das Eintrittsgeld und da man ja nichts kaufen konnte, wollten wir es in der Kneipe ausgeben. Das ist allerdings an zwei Dingen gescheitert: Wir waren nicht die ersten die die Idee hatten und zweitens, hätten wir mit dem Geld dem ganzen Dorf eine Runde ausgeben können und wir hätten immer noch was übrig gehabt. Wir haben dann die Hälfte den Verwandten geschenkt. Die konnten sich gar nicht mehr einkriegen. Die andere Hälfte haben wir zur Erinnerung behalten.
Na ja und dann noch Kassel, als die ersten Wochen die DDR Bürger den Westen erobert haben. Da haben sogar die Geschäfte am Sonntag aufgemacht. Innen drin sind die DDR Bürger rumgestürzt und draußen vor den Fensterscheiben standen die Westdeutschen und haben sich amüsiert. Ich kann mich auch noch erinnern, dass Bananen direkt aus den Laderaum von LKW verkauft wurden. Und natürlich hat man jeden DDR-Bürger an den billig Jeans erkannt. Ich glaube, das war das erste, was sie sich gekauft haben.
Nach der Grenzöffnung bin ich natürlich auch mit meinen Eltern Sonntags immer in die DDR gefahren, wir wohnten ja in Kassel, es war also nicht so weit. den Eindruck, den ich da noch von der DDR habe ist ziemlich grau und trostlos. Keine Farbe, alles verfallen, keine Werbung, schlechte Straßen. Nur eins haben wir nie gemacht: Wir sind dort nie essen gegangen. Es ging einfach nicht. Entweder hat man vor der Tür gewartet, weil alles besetzt war oder es gab erst gar nichts. Oder die Hälfte der Plätze war leer, nur wurden die nicht bedient, weil der Kollege gerade krank war. So was hätte es bei uns nie gegeben.
Dann kann ich mich noch an die Zeit davor erinnern. Die Verwandten in Kirchgandern hatten eine Apfelplantage. Die lag aber dummerweise auf west-deutschen Gebiet, so dass sich mein Opa etwas darum gekümmert hat. Manchmal hat er mich zum Apfelpflücken mit genommen. Es war schon ein komisches Gefühl, wenn man da auf der Plantage war, die Grenzpfosten standen teilweise noch auf dem Grundstück und wenn dann die Grenzer die ganze Zeit mit Feldstechern rübergeguckt haben, um zu sehen, was wir da machen. Da wurde einen schon etwas mulmig, wenn die da so mit ihren AK-47 standen und so grimmig geguckt haben.
Und dann natürlich noch, wenn mal jemand von drüben zu Besuch kam. aber davon habe ich wenig mitbekommen. Ich weiß nur, dass sie immer Einkaufslisten dabei hatten, die uns immer etwas drollig angemutet haben. Da stand dann zum Beispiel drauf: Küchenschürzen und so was.