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Delphi.Narium

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Delphi 7 Professional
 
#251

AW: Wie geht es weiter mit Corona

  Alt 13. Mai 2020, 19:27
Du schreibst: "Erklär Du uns doch einfach mal, was mit dieser Aussage gemeint ist, dann können wir u. a. auch Dich und Deine Argumentation verstehen." Ich selber würde so eine Aussage nicht tätigen. Was mit dieser Aussage gemeint ist müsste man die Leute jeweils fragen. Ich bin mir recht sicher dass es nicht alle das gleiche meinen.
Und genau da sehe ich das Problem, trotz stundenlanger Suche ist es mir nicht gelungen auch nur einen Ansatz einer Erklärung dieser Aussage, egal von wem sie gemacht wurde, zu finden.

Wo ist zum Beispiel die Erläuterung dessen, was zitierter Boris Palmer, tatsächlich mit seiner Äußerung gemeint hat. Kann da beim besten Willen nichts zu finden.

Zitat von Boris Palmer:
"Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären."
Diese Aussage kann man, wenn man denn will, auf jeden Einsatz eines Rettungswagens anwenden.

Bei jedem Menschen, der zum Arzt oder ins Krankenhaus muss, durch die Feuerwehr aus 'ner Notsituation befreit wird ... kann man nicht ausschließen, dass er auch ohne die Ursache, die den Besuch beim Arzt, die Einlieferung ins Krankenhaus, den Einsatz von Rettungswagen, Feuerwehr ... erforderlich machte, ist nicht auszuschließen, dass er an was vollkommen anderen binnen eines halben Jahres verstorben wäre.

Aber darf man deshalb die Hilfeleistung unterlassen?

Warum müssen Rettungssanitäter, Notärzte ... z. B. bei einem Unfall frisch verstorbene reanimieren, könnte doch auch bei denen sein, dass sie in 'nem halben Jahr an was anderem verstorben wären.

Oder gilt Herrn Palmers Aussage in diesem Fall nicht? Gilt sie nur bei mit Corona Infizierten?
Wann ja, auf welcher Grundlage basiert diese Unterscheidung?

Oder: Du kommst als erster an einen Unfallort, dort sind sofort lebensrettende Maßnahmen erforderlich. Würdest Du dann auch erst die Aussage von Herrn Palmer als Fragestellung für Deine konkrete Situation sehen und ausgehend vom Ergebnis dann entscheiden: "Jo, denn rette ich!" oder eben auch "Nö, den rette ich nicht, der stirbt ja sowieso bald."

Und wenn ich möglicherweise Menschen rette, die in einem halben Jahr sowieso tot wären, an welchen Kriterien kann ich denn festmachen, dass ein Mensch zu denen gehört, die in einem halben Jahr sowieso tot wären? Anhand welcher Kriterien soll denn dann entschieden werden, ob eine Rettung erfolgen soll, darf oder muss, bzw. unterlassen werden kann, unterlassen werden sollte oder zu unterlassen ist?

Welche Antwort mag denn da jetzt wohl z. B. vom Ethikrat kommen?

Strenggenommen war seine Aussage also absolut provozierend und letztlich sinnfrei.
Oder durch die, die seine Aussage vermittelt haben völlig sinnfrei / sinnentstellend wiedergegeben.

Oder um es absolut auf die provokante Spitze zu treiben:

Die o. g. Großeltern erkranken zeitgleich mit Dir an Corona. Ihr werdet zeitgleich ins gleiche Krankenhaus eingeliefert. Es sind nur drei Behandlungsplätze verfügbar. Wer soll entscheiden, wer nun nicht mehr gerettet werden muss?

Wie würdest Du entscheiden?
Wie würde Boris Palmer entscheiden?
Wie würde (beliebiger Name) entscheiden?
Wie würdest Du Dich fühlen, wenn Du als Arzt diese Entscheidung treffen musst?

Oder: Nur die drei o. g. Großeltern wurden eingeliefert und werden behandelt. Drei Tage später erwischt es Dich und Du kommst in das gleiche Krankenhaus. Es ist aber keine adäquate Behandlungsmöglichkeit vorhanden. Wer von den Dreien muss jetzt für Dich das Bett räumen und auf das kurzfristig zu erwartende Ableben warten, damit Du behandelt werden kannst?
Oder wie würdest Du es finden, wenn wer entscheidet: "Der stirbt doch sowieso in 'nem halben Jahr, den behandeln wir nicht, ab nach Hause."?
(Achso: Niemand von uns weiß mit Sicherheit, ob er nicht in 'nem halben Jahr sterben wird. Wir hoffen nur, dass es uns nicht trifft. Die Entscheidung, ob das halbe Jahr zutreffend ist oder nicht, liegt also nicht bei uns selbst, sondern bei irgendjemand anderem, den wir nicht kennen, der uns nicht kennt.)
Oder der Enkel der Großeltern müsste die Entscheidung treffen (da er Aufgrund des Gesundheitszustandes der Großeltern vom zuständigen Gericht zum rechtlichen Betreuer ernannt wurde), ob entweder eine Person seiner Großeltern (und wenn ja welche) oder Du auf die Behandlung verzichten müssen. Würdest Du ihm diese Entscheidung (auch wenn es um Dein Leben geht) zumuten wollen?

Mit seiner Aussage bringt her Palmer einen nicht unerheblichen Teil der (betroffenen) Bevölkerung in ein unauflösbares Gewissensdilemma und deshalb finde ich seine Aussage absolut verantwortungslos.

Und nein, ich erwarte hier jetzt von niemandem eine Antwort, einfach weil man sie nicht wirklich ernsthaft geben kann.

Aber hoffentlich konnte ich meine Sicht auf die (meiner Meinung nach) "Gefährlichkeit", die "Verantwortungslosigkeit" der von Herrn Palmer getroffenen Aussage verständlich machen.

Die, die solche Äußerungen wiederholen und als Argument anführen, machen sich nur in den seltensten Fällen Gedanken über die Konsequenzen, vor allem dann nicht, wenn sie selbst nicht betroffen sind. Wenn man dann mal nachfragt, ob sie ihren Standpunkt beibehalten, wenn ihre Großeltern, ihre Eltern oder sonstige nahestehende Personen betroffen sind und deren Beerdigung dann in Kürze zu erwarten sein wird, folgt nur betretenes Schweigen.
Oder ein: So ist das doch nicht gemeint.
Die Frage, wie es denn gemeint sei, hat mir noch keiner beantworten können oder beantworten wollen.