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Delphi 2007 Enterprise
 
#53

AW: Unbeliebtheit von Delphi

  Alt 30. Apr 2020, 23:42
Ich würde lügen, wenn ich behauptete ich/wir hätte(n) kein gutes Geld mit Delphi verdient, und unsere Investitionen darin wären bisher verschwendet gewesen. Ein nicht unwichter Aspekt dabei ist jedoch, dass Delphis Einsatz hier zu weit überwiegendem Anteil eine "Legacy-Entscheidung" ist - nichts weiter.

Mein Vater hat in den späten 80ern angefangen, Industrie-Visualisierungen mit Turbo Pascal zu entwickeln. Nebst einer Toolchain für die von seiner Firma selbst entwickelte SPS-Lösung, welche aber seit Einführung von Siemens S7 nicht mehr existiert. Als die Welt in Richtung Windows wanderte, hat er "naturgemäß" versucht den Großteil seiner Bibliotheken via Delphi in diese neue Welt zu überführen, was auch lange Zeit ausreichend war. Insbesondere wegen des damaligen Alleinstellungsmerkmals des extrem mächtigen Formular-Designers.
Dann kam ich irgendwann in das Unternehmen. Vater noch einer der ersten Informatik-Absolventen, als es noch größtenteils E-Technik war, kam ich auf einmal mit OOP, SQL und Tonnen an Idealismus daher. Aber man kann ja nicht grad eine über 20 Jahre gewachsene Infrastruktur am Stück modernisieren - also musste dasselbe Werkzeug ran, welches ich von Kind auf, privat, ohnehin schon immer auch mit erlernt hatte. Und von da an Stück für Stück ans Werk. Was aber auch heißt: Auch meine "Legacy" ist in Delphi verfasst.

Das hat mich lange Zeit auch überhaupt nicht gejuckt! Gerade in der Industrie ist es eher schon ein Mehrwert "alte" (sprich: bewährte) Dinge einzusetzen, und die gesamte Branche kann man gut als ~10 Jahre "hinterher hinkend" bezeichnen. Das kam, so leid es mit tut, Delphi für uns zu Gute. Wir haben ewig D7 eingesetzt, dann irgendwann D2007, was bis vor ~2 Jahren unser Arbeitspferd war. Beziehungsweise größtenteils noch immer ist! Was traurig ist.

Vor rund 2-3 Jahren musste ich mir Gedanken dazu machen, mit welchem Tool es bei uns weiter gehen soll. Ich war damals drauf und dran Delphi den Rücken zu kehren, mit 2-3 Alternativen für die ich ein komplettes Rework unserer gesamten Codebase in Kauf genommen hätte. Wäre da nicht EMB mit FMX und LiveBindings, sowie "weniger als zuvor" schlechten Meldungen bzgl. IDE Stabilität am Start gewesen.
Aber hier ist der Knackpunkt: Hätte ich damals gewusst, in welch desolatem Zustand genau diese Dinge waren (und bis heute sind), und wie inakzeptabel die jeweiligen Dokus sind, hätte ich damals den Schwenk Richtung C# bzw. eine seiner Abarten vollzogen. Mit all der Arbeit, die damit verbunden wäre, inklusive des Zurücklassens der 3rd Party Software, die wir nutzen.

Da in den letzten Monaten kaum Luft war sich hier erneut Gedanken zu machen, ist es halt noch immer Delphi. 90% Pflege aktiver Produkte mit D2007, und 10% verzweifelte Versuche die gewünschte Funktionalität mit D10.2.3, FMX und LB zu erreichen. Hätte ich die Zeit und Entwicklerkapazität, würde ich Delphi ohne mit der Wimper zu zucken in die Tonne treten und alles komplett mit einem wirklich modernen Toolset von Grund auf neu entwickeln. Subscription-Modell, allgemeine Qualität und die fortwährend schrumpfende Community sind extrem starke Argumente gegen Delphi.
Ich bin letztlich noch dabei weil ich muss. Und auch ein wenig, weil ich die Sprache an und für sich gerne mag. Aber letzteres allein rechtfertigt diese Affinität nicht mehr. Das tun derzeit rein geschäftliche Faktoren. Es liegt einfch zu viel im Argen, und so schnell lasse ich mich nicht mehr von aussichtsreichen Features ködern. Da muss im Kern einfach mehr kommen. Gerade für den Preis, gerade weil es ein Nischenprodukt ist. Hier MUSS Exzellenz her, sonst hat es sich mit der Daseinsberechtigung. Dafür können andere mittlerweile einfach zu viel zu gut.

Und ganz im Ernst: Ich fühle mich zunehmend unwohl im Tagesgeschäft von Delphi abhängig zu sein. Ich hoffe bald die Luft zu haben, nochmals eine Umstellung in Angriff zu nehmen. Am liebsten natürlich auf eine total geniale super stabile moderne und adäquat supportete Delphi-Inkarnation - aber darauf warte ich nun schon fast 20 Jahre. Hoffnung habe ich nicht mehr. Nur noch Notwendigkeit. Was ich extrem schade finde.
"When one person suffers from a delusion, it is called insanity. When a million people suffer from a delusion, it is called religion." (Richard Dawkins)