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Perlsau
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#19

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?

  Alt 26. Jan 2016, 02:09
Na, das mit der Lüge ist auch so eine spezielle Sache. Man kann ja schlecht sagen "du lügst", wenn der andere es einfach nicht besser weiß. Was du da als Beispiel gewählt hast, ist eher ein Versprechen. Lüge ich, wenn ich ein Versprechen gebe und es später nicht einhalte? Ich breche das Versprechen, das sowas wie ein Vertrag ist. Verträge sind verbindliche Versprechen, Lippenbekenntnisse in der Regel dagegen nicht. Auch wenn ich mein Zimmer nicht aufräume, obwohl es regnet, habe ich nicht zwingend gelogen, sondern lediglich ein Versprechen gebrochen. War es von vorneherein ein leeres Versprechen, hatte ich also gar nicht vor, mein Zimmer aufzuräumen, selbst wenn es dann regnet, dann habe ich in der Tat gelogen, indem ich eine Absicht kundtat, die ich gar nicht hatte, wie z.B.: "Ich werde dich nicht über's Ohr hauen.", wenn ich genau das vorhabe. Wurde ich aber durch irgend etwas davon abgehalten, mein Zimmer aufzuräumen, z.B. erkrankt, Unfall, wichtige Termine oder was auch immer, dann habe ich nicht gelogen, denn ich habe am Tag zuvor eine Aussage über meine Absicht gemacht, und die bestand ja zum Zeitpunkt der Aussage durchaus.

Ich würde daher die Lüge als "bewußte Falschaussage" definieren: Ich stelle eine Sache so dar, wie sie meines Wissens nach nicht ist. Die erfolgreichsten Lügen sind jene, die mit Halbwahrheiten arbeiten, wobei dem "Halbwahrheiten-Lügner" meist der Beweis desjenigen Teils, der zutrifft, als Beleg für die Wahrheit der ganzen Aussage gilt. Unbewußte Falschaussagen, die z.B. auf Fehlinformation beruhen, sind daher keine Lügen im engeren Sinne, denn das Lügen wird ja gewöhnlich als zutiefst amoralische Handlung angesehen. Man kann aber niemanden dafür verurteilen, der selbst belogen oder falsch informiert wurde. Man kann jedoch einem Menschen, der häufig kritiklos Informationen übernimmt und als wahr weitergibt, mangelnde Sorgfalt vorhalten, wie das z.B. auf viele Journalisten zutrifft, die aber andererseits wiederum ihren Job riskieren, wenn sie dann doch einmal recherchieren, ob die Reuters-Meldung denn tatsächlich zutrifft. Lediglich dann, wenn der betreffende Journalist genau weiß, daß das, was er schreibt, unwahr ist, lügt er.

Der kleine Bruder der Lüge ist die Andeutung eines Verdachts, um absichtlich ein Gerücht in die Welt zu setzen, ohne wirklich eine Lüge zu verbreiten: "Aus gewissen (gut informierten, ungenannten, geheimen etc.) Quellen verlautete, daß Herr Soundso Kinderpornographie auf seinem Rechner haben soll." Wenn man ihm dieses Gerücht wirklich zugetragen hat, dann lügt er nicht wirklich, denn er berichtet ja "nur" das, was er gehört haben will. Moralisch vertretbarer als die Lüge ist das aber auch nicht wirklich ... Beide, Lügen und Gerüchte verbreiten sind meist sehr schwer nachzuweisen, wobei wir wieder beim Thema Wirklichkeit wären.

In der Wissenschaft sind Lügen vergleichsweise selten, denn dort gibt es ganz klare Regeln, nach denen Behauptungen aufgestellt werden dürfen. Im sozialen Umfeld des gesellschaftlichen Miteinanders sind Lügen offenbar an der Tagesordnung, wie diese kleine Auswahl deutlich macht:
Als eine der dreistesten Lügen gilt für mich noch immer die Behauptung, man habe die Sache objektiv betrachtet und sei daher zu dem Schluß gekommen, daß zu dieser Entscheidung keine Alternativen existieren.
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