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Perlsau
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#16

Jobcenter dienen nicht wirklich der Jobvermittlung

  Alt 18. Jul 2015, 23:49
Offenbar haben einige von euch bislang nicht realisiert, daß die Jobcenter nur vordergründig der Jobvermittlung dienen. In Wirklichkeit findet bei den Jobcentern eine Abschreckung erzeugende Verfolgungsbetreuung statt, die stark zur Etablierung eines Billiglohn-Sektors in Deutschland beitrug. Echte Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen gibt es dort quasi nicht "abzustauben", dafür umso mehr gesinnungsprüfende "Schulungen" vor allem für Langzeitarbeitslose und all die jungen Leute, die nach der Schule erst gar keine Chance haben, überhaupt jemals irgend eine längere Anstellung zu finden.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich zwischenzeitlich nicht genug mit meinem Gewerbe verdiente, um davon leben zu können und mich im Jobcenter als arbeitssuchend melden mußte. Eine andere Möglichkeit, zunehmendes Elend inklusive Obdachlosigkeit und frühen Tod z.B. durch Erfrieren im Winter zu vermeiden, gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Damals wollte man mich aufgrund meiner Notlage regelrecht dazu zwingen, einen Computer-Grundkurs zu absolvieren, wo ich erst einmal lernen sollte, wie man mit einem PC überhaupt arbeitet, um danach das Gelernte in der Anfertigung von unterwürfigen Bewerbungsschreiben und historisch rückwärts aufgebauten Lebensläufen umzetzen zu können. Erst dann würde man mir die Antrags-Formulare für Alg-II aushändigen können. Ich war einen halben Tag dort, bis ich in schweren Streit mit dem "Lehrer" geriet. Ich fragte ihn, wie er es begründet, daß ein ehemaliger Setzer, der zahlreiche Bücher abgetippt und mit Ventura Publisher gesetzt hat, der mit Vektor- und Pixelgrafikprogrammen bestens zurecht kommt, der mit Turbo Pascal und Delphi Windows-Anwendungen entwickeln kann usw., warum so ein Mensch überhaupt einen Grundkurs in der Computerbedienung machen muß. Ob er das nicht auch als Schikane empfinde? Die Antwort, er sei hier auch nur angestellt und mache das, was ihm gesagt wurde, erwiderte ich mit einem Verweis auf blinde Befehlsempfänger in und außerhalb von Kriegen: Das machen Soldaten auch so, meinte ich, aber Sie sind doch kein Soldat, der blind Befehlen gehorcht, oder? Daraufhin rannte er wutentbrannt zu seiner Vorgesetzten und berichtete ihr, ich habe ihn mit Hitler verglichen! Da mußte ich dann antanzen, und war nun einer schreienden, keifenden Dreierschaft ausgesetzt, nämlich dem Lehrer, seiner Vorgestzten und einer weiteren eher fettleibigen "Dame": "Sie bekommen kein Geld, wenn Sie jetzt gehen, lernen Sie erst mal, sich zu benehmen ..." Sowas hätten sie noch nie erlebt, das sei unerhört, was ich da gesagt habe. Besonders fiel mir eine junge, sehr magere, kaum 20 Jahre alte Blondine auf, die ihr hübsches Gesichtchen zu einer Fratze der Wut zu verzerren verstand, so daß sie kaum noch wieder zu erkennen war, und die die Vorgesetzte dieses schätzungsweise 40jährigen "Lehrers" war und, wie ich später herausfand, die Tochter der Eigentümerin dieser fragwürdigen Institution. Ich ließ die Leute dort weiterkeifen, machte stehenden Fußes kehrt und bin genau dort wieder hinaus, wo ich hereingekommen war. Zu Hause lud ich mir die benötigten Anträge von der Bundesagentur für Arbeit herunter, füllte sie am PC aus und gab den Antrag im Jobcenter ab. Keine Woche später erhielt ich den positiven Bewilligungsbescheid. Die wußten dort im Jobcenter nämlich genz genau, daß dieser Versuch, die Anträge zurückzuhalten, bis ein einwöchiger PC-Grundkurs (sie nannten das dort "Aktivierung") absolviert war, den Tatbestand der Nötigung erfüllte. Ich wußte das damals natürlich noch nicht, habe es aber kurz darauf erfahren.

Die Jobcenter reagieren häufig außerhalb jeglicher Gesetz- und Rechtmäßigkeit. So werden häufig Urteile der Sozialgerichte mißachtet und Gelder, die zu zahlen wären, trotz gültigem Urteil weiterhin zurückgehalten. Auch werden oft willkürlich Verwaltungsakte erlassen, wenn ein Arbeitssuchender eine Eingliederungsvereinbarung aus gutem Grund nicht unterschreiben möchte. Da gibt es den 64jährigen Betriebswirten, der in den letzten Jahren immer wieder einmal ALG-I und ALG-II erhielt, und nun, kurz vor der Rente, dazu gedrängt wird, seine nicht existente Karriere zu fördern und 20 Bewerbungen im Monat zu schreiben. Dann haben wir den völlig kaputtgeschufteten Bauarbeiter, der mit 58 kaum noch richtig laufen kann, schon gar nicht aufrecht, der sich als Pförtner oder Gärtnergehilfe bewerben soll. Und die Spitze der Absurdität ist der 48jährige Rollstuhlfahrer, für den es absolut keine Jobs gibt, da er noch nie eine Ausbildung gemacht hat und der über keine besonderen Fähigkeiten verfügt, sich aber als Bürogehilfe bewerben soll, und zwar mindestens zehn mal pro Monat.

Wenn man all dieses Geld, daß dieser aufgeblähte Verwaltungsapparat mitsamt seinen sinn- & zwecklosen "Schulungen" verschlingt, auf all die Bedürftigen inklusive der nach der Schließung ebenfalls arbeitslos gewordenen Sachbearbeiter und Verwaltungsangestellten verteilen würde, hätte jeder der Glücklichen immer noch mehr als der durchschnittliche Sachbearbeiter derzeit verdient. Aber das will man natürlich nicht, lieber hetzt man Menschen gegeneinander auf (denn genau das geschieht dort in den Jobcentern) und hält so die Leute unter Kontrolle. Es wäre ja auch ganz ganz furchtbar, wenn all jene, die nicht mehr arbeiten können oder müssen oder wollen, sich z.B. politisch interessieren oder soger betätigen würden. Das darf man auf keinen Fall zulassen, wo kämen wir denn da hin, wenn ständig 5 bis 8 Millionen Menschen demonstrieren würden?
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