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Perlsau
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#33

AW: Was haltet Ihr von der von Dr. Merkel verordneten Gehaltskürzungen ab 2015?

  Alt 1. Dez 2014, 07:10
Ich habe einen Auszug aus dem Haushalt zitiert und bezweifelt, dass HARTZ IV (übrigens von der Schröder Regierung eingeführt) gesetzwidrig ist.
Die Hartz-IV-Gesetze verstoßen tatsächlich in etlichen Belangen gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere die Praktiken der Jobcenter, die ich als ehrenamtlicher Mitarbeiter eines Vereins ständig miterlebe, sind nicht nur ehrenrührig, sondern in der Tat gesetzeswidrig. Nicht ohne Grund werden ca. 60 Prozent aller Widersprüche vor den Sozialgerichten zugunsten der Hilfesuchenden entschieden. Die meisten Sanktionen sind demnach gesetzeswidrig. Nicht wenige Jobcenter akzeptieren aber nicht einmal die Entscheidungen der Sozialrichter, indem sie ihr Verhalten weiterführen. Einige Hartz-IV-Empfänger sind nun erfolgreich dazu übergegangen, z.B. nach Gerichtsurteil rückwirkend zu zahlende Beträge, die von den Jobcentern dennoch verweigert weren, per Gerichtsvollzieher einziehen zu lassen. Der Hintergrund dieser rigorosen Haltung der Jobcenter liegt in der internen Prämienregelung. Ressortleiter erhalten pro Arbeitslosem, der sich aufgrund fragwürdiger Maßnahmen aus der Statistik streichen läßt, bis zu 2.000,- Euro Prämie. Die Mittel für die Prämien wie auch diejenigen für die fragwürdigen Coaching- und Trainingsmaßnahmen werden natürlich vom Gesamtbudget der Jobcenter bestritten, was nicht selten dazu führt, daß für echte Maßnahmen wie Umschulungen oder Weiterbildungen kein Geld mehr da ist. Faktisch dienen die Jobcenter also nicht der Vermittlung der über 5.000.000 ALG-II-Empfänger in die 500.000 offenen Stellen, sondern lediglich der Verwaltung der Arbeitslosigkeit und der Beihilfe zum Statistikbetrug, der einen Betrug an der Bevölkerung darstellt.

Ein signifikanter Fall aus dem "Vereinsleben": Einem älteren, gesundheitlich stark eingeschränkten Arbeitslosen, der kurz vor der Rente steht, wurde ohne Rücksprache von seinem Sachbearbeiter eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) vorgelegt, in der stand, daß diese EGV das Resultat der gemeinsam mit dem Hilfesuchenden erarbeiteten Strategie zur Eingliederung in Arbeit darstelle. Der Hilfesuchende wurde nicht darauf hingewiesen, daß die in der EGV festgelegte Maßnahme (Projekt 50plus) freiwillig sei, sondern im Gegenteil der Eindruck erweckt, eine Weigerung würde unweigerlich Sanktionen nach sich ziehen. Nachdem der ALG-II-Empfänger im Beisein eines Begleiters die Unterschrift unter die EGV mit Hinweis auf die darin aufgeführten unwahren Behauptungen verweigert hatte, drohte der Sachbearbeiter gesetzeswidrig mit Sanktionen, wenn der "Kunde" nicht auf der Stelle unterschreiben würde. Der Begleiter klärte den Sachbearbeiter darüber auf, daß eine derartige Sanktion gesetzeswidrig sei, denn erstens handelt es ich um einen Vertrag, der der Vertragsfreiheit unterliegt, und zweitens dürfe der "Kunde" die EGV auch mit nach Hause nehmen und sich erst in Ruhe durchlesen, bevor er sie unterschreibt. Danach erließ der Sachbearbeiter einen Verwaltungsakt, gegen den der "Kunde" Widerspruch eingelegte. Einer unterschriebenen EGV kann dagegen nicht widersprochen werden. Diesem Widerspruch wurde in letzter Instanz voll und ganz entsprochen. Sanktionen (Leistungsminderung) werden jedoch weiterhin angewandt, woraufhin der Gerichtsvollzieher diese Beträge erfolgreich beim hiesigen Jobcenter eintreiben konnte. Seitdem hat dieser ALG-II-Empfänger eine nette und freundliche junge Dame als Sachbearbeiterin und wird auch nicht mehr drangsaliert.

Wie dieser und zahlreiche weitere Fälle, mit denen ich im Laufe der Jahre zu tun bekam, zeigen, geht es nicht um Vermittlung oder Hilfe, sondern einzig um das Herausdrängen aus dem Leistungsbezug. Auch die Sanktionspraxis verstößt nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern ebenso gegen den Grundsatz der deutschen Sozialgesetzgebung:

Das SGB wurde geschaffen, um
  • ein menschenwürdiges Dasein zu sichern;
  • gleiche Voraussetzungen für die Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere für auch junge Menschen zu schaffen;
  • die Familie zu schützen und zu fördern;
  • den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und
  • besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen.
Wer vom absoluten Existenzminimum etwas abzieht, setzt die Betroffenen weiterer Armut aus, da das Existenzminimum nach SGB bereits unter dem gesellschaftlichen Existenzminimum liegt. Wer weitere Leistungskürzungen fordert, festlegt oder anordnet, setzt die Betroffenen dem Verhungern, der Obdachlosigkeit und im Winter dem Erfrieren aus. Das wäre dann Mord = vorsätzliche Herbeiführung des Todes! Sanktionen sind Sache der Strafjustiz und haben das auch zu bleiben. So wie es derzeit ist, darf jeder Sachbearbeiter an jedem "Kunden" seine perverse Straflust ausleben. Und du darfst mir glauben, wenn ich dir versichere, daß milder eingestellte Mitarbeiter inder Regel ausselektiert werden, indem man ihre Halbjahresverträge nicht verlängert.
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