Zitat:
Haentschmann, erzähle doch mal Deine eigene Story als Botschaftsflüchtling
... nun ja, diese Geschichte wäre sehr lang und schlecht lesbar...
Deswegen ausnahmsweise mal weniger emotional als Stichpunkte:
1988 - Anfang 1989
- Fluchtvorbereitungen mit Hilfe von Helfern aus Hessen
- ständige Beobachtung durch die Stasi (wir hatten in Berlin immer 2 Mann als Begleitung)
Juni 1989
- Visum nach Ungarn besorgt (als Alibi)
- Planung der "Reise" mit Karten wo der Bundesgrenzschutz (über die Helfer) die besten Stellen eingezeichnet hat
- unauffälliges Auto besorgt (roter Fiat Uno)
mit Ost-Berliner Kennzeichen
1. Juli 1989
- Abfahrt Richtung Tschechien - Furth im Wald
2. Juli 1989
- Treffen mit den Helfern
- Abfahrt zusammen mit den Helfern Richtung Grenzübergang Furt im Wald (tagsüber um die Umgebung zu sondieren)
- kurz vor dem Grenzübergang hielt ich an einer Abzweigung, die anderen fuhren weiter und kamen direkt in der Kaserne der Grenztruppen raus. Festnahme
- 5 Minuten nach dem Stopp kam ein Jeep über den Hügel, 2 Soldaten sprangen raus, Hunde an der Hand und luden die AK47 durch. Davon hab ich glaube ich heute noch die Hosen voll...
- Nach Feststellung der Personalien durften alle weiter, quasi wieder zurück, da wir aufgeflogen waren aber noch nix verbotenes gemacht hatten.
- ein Zurück kam nicht in Frage
- im Hotel saßen schon 2 auf dem Gang und warteten auf uns
3. Juli 1989
- Entschluß Botschaft Prag
- Abfahrt nach Prag
- in Prag immer ein gelber Lada hinter uns und in der riesen Stadt 3x die selben Leute getroffen
- von einem Taxi den Weg zeigen lassen Richtung Botschaft
- vor der Botschaft gewendet, der gelbe Lada versperrte die Straße...
... im 2. Gang in die Einfahrt der Botschaft gebrettert
(Eintrag im Hausbuch
)
3 Wochen Botschaft als #29 - #32
- Ausreise genehmigt mit der Auflage in Berlin die Formalitäten zu erledigen
- nach Berlin zurück
- 24 Stunden durfte ich die Stasi besuchen, unterschreiben daß ich gut behandelt worden bin und ein Mittagessen bekommen habe
- die Behörden haben sich doof gestellt
- Titelstory der Bild Zeitung mit "Laßt uns raus"
(müßte ich mal anfragen ob das noch existiert
)
Anfang September 1989
- im Fernsehen liefen die Bilder daß Ungarn die Grenzen geöffnet hat
- Montags Abends in den Zug mit den Ungarn Visas
- bis Budapest ohne Probleme durchgefahren (verstehe ich bis heute nicht) obwohl noch an der Tschechisch / Ungarischen Grenze Leute aus dem Zug geholt wurden.
- weiter mit dem Bus über Ungarn nach Deggendorf
- weiter mit dem Zug nach Frankfurt (Ankunft Donnerstag 12:00,in der ganzen Zeit nur ca. 5 Stunden geschlafen)
14 Tage nach Ankunft den ersten Job und erste Wohnung.
Fazit:
Ich bin froh, daß ich diese verrückte Zeit miterleben durfte. Die emotionalen Momente der Reise kann kaum beschrieben werden. Getrennte Familien sind sich nach Jahrzehnten in die Arme gefallen. In Budapest kam einer nur mit einer Badehose bekleidet...aber glücklich.
Den Hut muß man aber vor den Menschen ziehen, die in Leipzig, Berlin und so weiter auf die Straße gegangen sind.