Vorab: Ich hab nach einer kurzen Einstiegsphase mit QBASIC seit je her hauptsächlich mit Turbo Pascal und dann Delphi gearbeitet, und bis vor ~2 Jahren nie produktiv etwas mit C-ähnlichen gemacht - größtenteils aus Überzeugung. Allerdings muss man wirklich einsehen, dass Delphi an vielen Baustellen leidet. Ein größerer Image-Schaden fing mit Inprise an, dann Ausgliederung und Verkauf und Wiederverkauf - das sind nicht gerade vertrauenssteigernden Maßnahmen für ein professionelles Umfeld. Auch scheinen sich die Entwickler immer mehr von den Hobbyisten loszusagen, die aber aufgrund der Natur Pascals als Schulsprache die aller wichtigste Basis für das Produkt sind, und sicherlich überhaupt erstmal dazu beigetragen haben, dass die Sprache in produktiven Umgebungen Einzug gefunden hat. Dazu kommen ein paar Fehltritte bei den Compilern an und für sich, so wie das eine oder andere nicht eingehaltene (oder viel zu spät eingelöste) Versprechen.
Die Krux ist dabei: Delphi als Sprache ist nach wie vor eine prima Sache, und mit den entsprechenden Erweiterungen (die andere Sprachen ja auch erfahren mussten) locker am Puls der Zeit. Es ist also kein Problem von Delphi an und für sich, sondern das der Macher.
Jetzt habe ich selber das Glück im väterlichen Betrieb noch fast ausschließlich Delphi einzusetzen (mein Vater hatte das eingeführt - er hat u.a. mit Pascal gelernt
), privat und zum Zwecke der Selbstbildung nutze ich es allerdings nicht mehr. Bis vor so ~2 Jährchen hab ich, wenn ich mal fix was probieren wollte, oder eine spezielle Funktion brauchte für die es so nichts fertiges gab, schnell auf mein Delphi geklickt und das gebastelt. Die Aufgabe übernimmt jetzt #Develop mit Bravour, ich hab nichtmal mehr ein Delphi installiert, auch kein freies. Und genau sowas sind Indikatoren für wo es hin geht. Wenn ich die Sprache nicht mehr als erste Anlaufstelle betrachte, wird sie zum "ja, das gibt's auch", statt zum "damit machen wir's".
Selbst als jemand, der mit größten Aversionen gegen C-likes aufgewachsen ist, macht mit das Schreiben in C# mittlerweile mehr Freude als in Delphi, und mir gehen viele Dinge einfach leichter von der Hand.
Es wird die Summe der kleinigkeiten sein, die zum Teil nicht einmal technisch begründet sind, weshalb Delphi so erscheint als würde es langsam aber sicher versickern. Und ein wenig selbst erfüllende Prophezeiung ist natürlich auch immer mit dabei, klar. Nur würde nicht drüber reden den Kurs auch nicht mehr retten können, dafür ist an anderen Stellen vermutlich schon zu viel Image gebröckelt.
Alles in allem bin ich froh Delphi/Pascal zu kennen, es ist für viele Dinge auch problemlos und prodiktiv einsetzbar, aber ich mache mir nicht die Illusion, dass das noch über Jahre so bleibt. Über kurz oder lang befürchte ich ein Überbleiben von Community-Efforts wie FreePascal/Lazarus, die im Wesentlichen aus Liebhaberei betrieben werden. Im produktiven Umfeld glaube ich zumindest nicht daran, dass der Marktanteil je wieder Zuwachs bekommt - so da nicht doch langsam mal mächtig was in Richtung Image und Features passiert. Delphi war lange lange Zeit sehr beliebt wegen seines
RAD-Status. Es gab auch viele Hersteller, die die
GUI mit Delphi gebaut haben, und dann nur noch Interfaces zum eigentlichen, in C geschriebenen, Programm aufriefen. Dieses Alleinstellungsmerkmal ist schon länger keines mehr, und da man nicht der Standard am Markt ist, braucht man so etwas wieder um attraktiv zu sein, und nicht ganz aus den Köpfen verschwinden (auf lange Sicht jetzt). Und dabei geht es nicht einmal um managed vs. unmanaged Umgebungen. Ich mag die grobe Richtung die mit .NET eingeschlagen wurde, ich muss es aber jetzt auch nicht unbedingt in Form von .NET haben.
"When one person suffers from a delusion, it is called insanity. When a million people suffer from a delusion, it is called religion." (Richard Dawkins)